Was bleibt, wenn man die Körper Francis Bacons aus dem Bild nimmt? Wo sind die Kräfte, die er durch die zerdrückten, Widerstand leistenden, aber doch irgendwie gefügigen Körper indirekt darstellt? Diese Kräfte werden durch die Verzerrung des diesem Druck unterworfenen Fleisches offengelegt, sie formen die Masse, auf die sie zufällig treffen. Die Gemälde von Michael Lukas haben diese unheimliche Qualität: In ihnen scheinen Kräfte zu lauern, die nur darauf warten, dass ein Körper auftaucht – um sich dann zufällig in dem von ihm gemalten Raum zu verlieren. Verlieren ist das richtige Wort, verdreht sich doch das gesamte Konstrukt unter Lukas’ Händen. Offensichtlich sind logische Prinzipien zur Anwendung gelangt, aber was genau ist in diesem äußerst verwirrenden Raum vorne und hinten?
Die Bandbreite von Lukas’ Repertoire ist groß, spannt sich von Bacons geleerten, verzerrten Räumen über mondrianeske, ihrer Farbe beraubte Felder bis zu sich wie Reste von Andy Warhols Blumen anmutenden Elementen, die den Eindruck vermitteln, dass sie Warhols Absage an Unmittelbares zum Äußersten treiben. Die Blumen liegen über einem Raster, wie er in Lukas’ Arbeiten wiederholt vorkommt.
Der Raster, eine Form, die uns im Alltag weithin umgibt, diente Künstlern von der Moderne bis heute als perfektes Mittel der Erkundung einer semiotischen und narrativen Leere. Lukas begrüßt diese leere Zone und lässt sich durch seine Eingebung leiten, während die Arbeit Form annimmt. Häufig verwendet er Materialien, die er in den Gebäuden findet, in denen er gerade sein Atelier hat. Zurzeit, im Dezember 2015, arbeitet er in einem ehemaligen Büro, wo er zum Beispiel auf den Teppich stieß, der sich als unterste Schicht für seine Arbeit anbot, die er mit einer ebenfalls dort entdeckten Grundierung bemalte. Die Umgebung, in der Lukas arbeitet, stellt, wie er sagt, einen wichtigen Einfluss dar. Indem er Teile der Teppichserie in der Ausstellung als Bodeninstallation zeigt, übernimmt er den Geist dieses ehemaligen Wiener Büros in seine Arbeit.
Mit Glutinleim als Grundlage, dem Abdecken von Abschnitten mit Klebeband, dem Aufbringen von Pigmentpartikeln auf die Oberfläche sowie der Verwendung von Ölfarben, weißer Grundierung und Buntstiften ergibt sich ein faszinierender Mix überraschender und origineller Materialien. Die Kombination von Druck, Zeichnung und Gemälde macht die mechanischen Elemente von Lukas’ Ansatz sichtbar. In Verbindung mit dem Automatismus, der an die Techniken erinnert, deren sich die Surrealisten und Künstler wie Jackson Pollock bedienten, und uns Lukas’ spontane körperliche Bewegungen verfolgen und auf seine Gefühlsausbrüche einstellen lässt, verwandeln sich seine Arbeiten in eine von scheinbaren Widersprüchen schwirrende Bühne, die er, so wirkt es, mit Leichtigkeit aufhebt. Bemerkenswert ist, dass selbst seine weniger vollgepackten Arbeiten eine von einem Ende zum anderen durchgängig bedeckte Oberfläche aufweisen. Seine sich stets ändernden Interessen scheinen sich in Form einer Reise durch die Moderne und Postmoderne zu entfalten, welche mühelos Brücken zwischen den verschiedenen künstlerischen Strömungen schlägt.
Text: Sandra Petrasevic